Lispector, Clarice: Das Geheimnis des denkenden Hasen und andere Geschichten

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Marlen Eckl. Vorwort: Paulo [Valente].
Mit Illustrationen von Flor Opazo.
Berlin: Hentrich und Hentrich, 2013. 51 S., geb., 16 x 23,5 cm, 14,90 €.
O: O mistério do coelho pensante e otros contos. 1967, 1974, 1978.
978-3-95565-010-0
Auf Bitten ihres siebenjährigen Sohnes Paulo begann die große brasilianische Schriftstellerin Clarice Lispector für Kinder zu schreiben. Sie wollte nicht, dass ihre Söhne dass Gefühl bekämen, sie habe bei all ihrer Schriftstellerei keine Zeit für sie. So entstanden die drei in dieser Publikation versammelten humorvollen Kindergeschichten, in denen Tiere die Protagonisten sind:
Das Geheimnis des denkenden Hasen: Der Hase Hänschen lernt denken, und zwar mit seiner Nase. Er ist zwar nicht der Schnellste dabei, aber es gelingt ihm, hinter das Geheimnis zu kommen, wie man aus einem verschlossenen Käfig ausbüchsen kann!
Eine fast wahre Geschichte: Mit unerwarteten und originellen Interpretationen von natürlichen Gegebenheiten lässt Lispector ihren Hund Ulisses die Geschichte der Hühner Ovidio, Odissea sowie des Feigenbaums auf dem Hof von Oniria erzählen, die unter den Machenschaften der bösen Hexe Oxelia zu leiden haben bis die gute Hexe Oxalá alles zum Guten wendet.
Lauras Familienleben: Die Autorin gewährt uns Einblick in das Dasein eines Huhns: des dummen, hässlichen aber sehr netten Huhns Laura, verheiratet mit dem Hahn Luís, Mutter des kleinen Hahns Hermany. Die Autorin, die als Kind selbst oft Hühner beobachtete, beleuchtet Verhaltensweisen der Hühner aus tierischer Sicht und bringt das schwierige Thema des Schlachtens von Tieren zur Sprache.
Lispectors Tierfiguren haben, ungleich der meisten anderen Tiergeschichten, keine menschlichen Züge. Sie bleiben Tiere und wir wissen nicht, was in Ihnen vorgeht. Trotzdem, so Lispectors Aussage, sollten wir immer Respekt ihnen gegenüber haben. Dass wir den Grund für ihr Verhalten oft nicht kennen, bedeutet nicht, dass es keinen gibt.
Lispectors lustige Einfälle kommen so selbstverständlich daher, dass dabei tiefergehende Botschaften ganz unmerklich vermittelt werden. Immer im Dialog mit dem Leser zieht sie ganz beiläufig Parallelen zu gesellschaftsrelevanten Themen wie Rassismus oder politischer Kritik: „Er ließ sogar das Futter stehen, weil er so gerne weglief. Weißt du Paulo, Kinder müssen nicht weglaufen, weil sie nicht hinter Gittern leben.“
Johanna Klute, BzL
Marlen Eckl ist Historikerin, Literaturwissenschaftlerin und Übersetzerin aus dem Portugiesischen, sie hat u. a. Werke von Moacyr Scliar und Clarice Lispektor übersetzt und literaturwissenschaftliche Bücher (u.a. zum Exil) veröffentlicht.
Flor Opazo ist bildende Künstlerin.
Clarice Lispector wurde am 10.12.1920 in Tschetschelnik/Ukraine als Tochter russisch-jüdischer Einwanderer geboren.
Sie studierte Jura, schrieb Romane, Erzählungen und Kindergeschichten; sie gilt außerdem als Pionierin des weiblichen Journalismus in Brasilien.
Zahlreiche Romane und Erzählungen wurden bisher ins Deutsche übersetzt; leider ist davon vieles nicht mehr lieferbar. Darunter sind allein drei Bände mit Erzählungen (Die Dame und das Ungeheuer, Die Nachahmung der Rose und Wo warst du in der Nacht), sowie die Romane "Der Apfel im Dunkeln", "Eine Lehre oder das Buch der Lust", "Von Traum zu Traum" u. a.
Für weitere Informationen zu der Autorin siehe die Biographie von Benjamin Moser.
Dort, wo das Denken aufhört zu denken, wo es schwungvolle Freude wird, dort schreibt sie ... Unter dem Blick von Clarice Lispector blüht jedes Ereignis auf, das Gewöhnliche öffnet sich und zeigt seinen Schatz, der gerade gewöhnlich ist. (Hélène Cixous)
Clarice Lispector starb 10.12.1977 in Rio de Janeiro.
(Foto: Lispector a. e. bras. Briefmarke © K. Küpper)
Titel:
Die Passion nach G.H.
Wofür ich mein Leben gebe
Ich und Jimmy
Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau
Aber es wird regnen
Der große Augenblick
Der Lüster
Nahe dem wilden Herzen
Das Geheimnis des denkenden Hasen und andere Geschichten