Ramírez, Sergio: Strafe Gottes
Ramírez, Sergio: Strafe Gottes
Mehr als ein Kriminalroman. Aus dem Spanischen von Thomas Brovot.
Zürich: Edition 8, 2012. 568 S., geb., SU., 29,80 €
O: Castigo Divino. Montadori/Span. 1988.
978-3-85990-178-0
1933 wird in der Stadt León in Nicaragua Oliverio Castañeda aus Guatemala als Mörder seiner Frau, seiner Geliebten und deren Vater überführt, verurteilt und hingerichtet. In Guatemala herrscht der Diktator Ubico, in Nicaragua bereitet Somoza sich vor, nach dem Abzug der US-amerikanischen Invasionstruppen, die Macht zu übernehmen.
Ramírez nimmt die realen Ereignisse um den Giftmord-Prozess zum Anlass, die damals herrschende Gesellschaft, ihre politischen Meinungen und Interessen kritisch zu hinterfragen. Er zitiert die benutzten Beweise, Zeugenaussagen und Gutachten (von deren Authentizität die Leser allmählich immer weniger überzeugt sind – vor allem wenn dabei Namen wie „der Priester Dieter Masuhr" (S. 375), im Zusammenhang mit dem verwendeten Strychnin von der „M. Thatcher-Reagenz" oder der „LePen-Methode" die Rede ist (S. 388). Auch ein G. Grass mit seinem Buch „Zur Kenntnis der Ptoma", Berlin 1895 wird zitiert (S. 440) sowie Oswaldo Soriano, der 1901 ein wissenschaftliches Werk über die tierischen Alkloide geschrieben haben soll (S. 476). Vermutlich war es Absicht des Autors, mit diesen satirischen Einlassungen die angeführten Beweise im realen Prozess ad absurdum zu führen; ebenso wie das übrige pseudowissenschaftliche Gefasel, das in aller Ausführlichkeit zitiert wird und dadurch leider seinen satirischen Effekt (durch schlichte Ermüdung der Leser) verliert.
Ramírez belässt es nicht bei der kritischen Darstellung der Ereignisse. Er verbiegt das reale Geschehen im Finale in eine völlig andere, aber mögliche Richtung: der bisherige Hauptbelastungszeuge wird zum Verbündeten des Angeklagten, verhilft ihm zur Flucht und nur die Tatsache, dass die Tötung des Angeklagten aus politischen Gründen längst beschlossene Sache war, verhindert das Gelingen der Flucht.
Das wäre ein wunderbarer Roman geworden, wenn der Umfang um etwa zwei Drittel gekürzt worden wäre. Irgendwann könnten die Leser nämlich das Interessen an den eifersüchtigen Konkurrenzverhalten zwischen den vorgeblichen Sachverständigen verlieren und sich langweilen, wenn es um die richtige Mischung des Strychnins beim Vergiften der Hunde und in den Kapseln für die Malaria-Medizin geht. Schade.
Klaus Küpper, BzL
Mehr als ein Kriminalroman. Aus dem Spanischen von Thomas Brovot.
Zürich: Edition 8, 2012. 568 S., geb., SU., 29,80 €
O: Castigo Divino. Montadori/Span. 1988.
978-3-85990-178-0
1933 wird in der Stadt León in Nicaragua Oliverio Castañeda aus Guatemala als Mörder seiner Frau, seiner Geliebten und deren Vater überführt, verurteilt und hingerichtet. In Guatemala herrscht der Diktator Ubico, in Nicaragua bereitet Somoza sich vor, nach dem Abzug der US-amerikanischen Invasionstruppen, die Macht zu übernehmen.
Ramírez nimmt die realen Ereignisse um den Giftmord-Prozess zum Anlass, die damals herrschende Gesellschaft, ihre politischen Meinungen und Interessen kritisch zu hinterfragen. Er zitiert die benutzten Beweise, Zeugenaussagen und Gutachten (von deren Authentizität die Leser allmählich immer weniger überzeugt sind – vor allem wenn dabei Namen wie „der Priester Dieter Masuhr" (S. 375), im Zusammenhang mit dem verwendeten Strychnin von der „M. Thatcher-Reagenz" oder der „LePen-Methode" die Rede ist (S. 388). Auch ein G. Grass mit seinem Buch „Zur Kenntnis der Ptoma", Berlin 1895 wird zitiert (S. 440) sowie Oswaldo Soriano, der 1901 ein wissenschaftliches Werk über die tierischen Alkloide geschrieben haben soll (S. 476). Vermutlich war es Absicht des Autors, mit diesen satirischen Einlassungen die angeführten Beweise im realen Prozess ad absurdum zu führen; ebenso wie das übrige pseudowissenschaftliche Gefasel, das in aller Ausführlichkeit zitiert wird und dadurch leider seinen satirischen Effekt (durch schlichte Ermüdung der Leser) verliert.
Ramírez belässt es nicht bei der kritischen Darstellung der Ereignisse. Er verbiegt das reale Geschehen im Finale in eine völlig andere, aber mögliche Richtung: der bisherige Hauptbelastungszeuge wird zum Verbündeten des Angeklagten, verhilft ihm zur Flucht und nur die Tatsache, dass die Tötung des Angeklagten aus politischen Gründen längst beschlossene Sache war, verhindert das Gelingen der Flucht.
Das wäre ein wunderbarer Roman geworden, wenn der Umfang um etwa zwei Drittel gekürzt worden wäre. Irgendwann könnten die Leser nämlich das Interessen an den eifersüchtigen Konkurrenzverhalten zwischen den vorgeblichen Sachverständigen verlieren und sich langweilen, wenn es um die richtige Mischung des Strychnins beim Vergiften der Hunde und in den Kapseln für die Malaria-Medizin geht. Schade.
Klaus Küpper, BzL
Der Autor:
Sergio Ramírez wurde am 5.8.1942 in Masatepe geboren.
Er studierte Jura und war von 1973-1975 Stipendiat des DAAD in Berlin. Nach dem Sturz der Somoza-Diktatur war er von 1984-1990 Vizepräsident Nicaraguas.
Ramírez ist Autor vieler, teilweise preisgekrönter und auch ins Deutsche übersetzter Romane, Erzählungen und Essays. Er gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller und Intellekturellen Lateinamerikas.
Neben verschiedenen Auszeichnungen erhielt er im November 2014 in Mexiko den Carlos-Fuentes-Literaturpreis für sein Lebenswerk.
Titel:
Tongolele konnte nicht tanzen
Der Himmel weint um mich
(Hg.): Zwischen Süd und Nord
Strafe Gottes
Margarita, wie schön ist das Meer