Zum 50. Todestag von José María Arguedas
Zum 50. Todestag von José María Arguedas
José María Arguedas wurde am 18.1.1911 in Andahuaylas/Apurímac in den peruanischen Anden geboren. Als er drei Jahre alt war starb seine Mutter. Der Vater, als Anwalt viel unterwegs, heiratete die Tochter eines Haziendabesitzers. Hier wuchs der Junge zusammen mit den Arbeitern und Küchenangestellten auf, die nur Quechua sprachen. Spanisch lernte er erst mit 15 Jahren. Er begleitete seinen Vater auf dessen Reisen durch die indianischen Dörfer und begann 1931 in Lima mit dem Studium der Literatur und Anthropologie.
Als Anthropologe befasste er sich mit der Erforschung der indigenen Geschichte seines Landes. Die Kultur der Quechua war auch Thema seiner schriftstellerischen Tätigkeit, bei der er versuchte, die indianische Welt aus deren eigenem kulturellen Zentrum heraus zu gestalten.
1935 erschien seine erste Veröffentlichung – Agua, eine Anthologie mit drei Erzählungen, von denen die Geschichte Los escoleros (Die Schulkinder) in deutscher Übertragung bereits 1937 in der Zeitschrift „Internationale Literatur“ in Moskau erschien. Es sollte für lange Zeit die einzige deutsche Übersetzung bleiben. 1937/38 saß Arguedas eine 10monatige Haft wegen Teilnahme an einer Protestkundgebung ab.
Sein erster Roman Yawar Fiesta erschien 1941 (dt. „Fiesta des Blutes“, 1980). Er beschreibt eine Corrida in einem Andendorf, in der kein stolzer Torero dem Stier gegenübertritt, sondern eine Gruppe von Indios, die unter Lebensgefahr die Plaza betreten und den Kampf mit fatalistischem Stolz aufnehmen. Mitten in diese festliche Erwartung hinein platzt jedoch das Verbot der Regierung, das die indianische Art der Corrida verbietet. Ein für Indios wie Weiße gleichermaßen unannehmbares Verbot ...
1954 erschien die Novelle Diamantes y pedernales (dt. „Diamanten und Feuersteine“, 2002), in der Arguedas das Schicksal des geistig zurückgebliebenen Schneidergesellen und Harfenspielers Mariano schildert. Die Leute im Dorf mochten ihn - sie nannten ihn den upa, den Geisteskranken. Don Aparacio, der unberechenbare Tyrann des Dorfes bewunderte seinen Gesang und sein Spiel mit der Harfe und stellte ihn unter seinen Schutz. Marianos Hilfe für Don Marianos langjährige und mittlerweile vernachlässigte Geliebte bringt die labile Ordnung durcheinander ...
Seinen größten Erfolg hatt Arguedas mit dem 1958 veröffentlichten Roman Los rios profundos, der 1965 unter dem Titel „Die tiefen Flüsse“ in deutscher Übertragung erschien, insgesamt acht verschiedene Auflagen erreichte und heute wieder lieferbar ist. Wie in allen Romanen und Erzählungen beschreibt Arguedas in diesem Buch das Leben der peruanischen Indios. Er entwickelte dazu ein Kunstidiom, in dem er die Struktur des Quechua auf das Spanische übertrug. „Mein Buch schildert die Gesellschaft einer Provinzhauptstadt, deren Grund und Boden fast ausschließlich im Besitz von unmittelbaren Nachkommen der spanischen Eroberer ist. ... Der Roman führt in die düstere soziale Welt dieser Gegend; er beschreibt das jahrhundertealte System, mit dem die Großgrundbesitzer ihre Umgebung unterjochten, und die magischen Vorstellungen, die die Indianer von der Erde und der menschlichen Existenz haben.“
Weniger beachtet wurde demgegenüber der 1964 erschienene Roman Todas las sangres, der erst 1983 unter dem unglücklichen Titel „Trink mein Blut, trink meine Tränen“ zeitgleich in West- und Ostdeutschland erschien. Er schildert das Scheitern von zwei ehemals verfeindeten Großgrundbesitzersöhnen, die mit halbherzigen Reformen versuchen, den unterdrückten Indios zu helfen. Die Landverteilung des einen misslingt durch den Widerstand der anderen Großgrundbesitzer, während der andere, der ein Silberbergwerk betreibt, in die Fänge des internationalen Großkapitals gerät. Am Ende steht die blutige Unterdrückung der schwachen Roformansätze durch die repressiven Kräfte des Staates. Aber die revolutionären Ideen der Brüder sind bei den Indios auf fruchtbaren Boden gefallen, auch sie begehren gegen die alte Ordnung auf. Zwar wird der Widerstand brutal niedergeknüppelt und ihr Anführer erschossen, aber in den Unterdrückten bleibt dennoch das Bewußtsein der Stärke wach. „Diesen Roman zu konzipieren hat mich einige Jahre Meditation gekostet ... Ich wollte darin ganz Peru ... und nicht nur Peru, sondern auch die großen Mächte, die Peru manipulieren ... erfassen.“
Postum erschien 1971 der Roman El zorro de arriba y el zorro de abajo, der seit diesem Jahr endlich in deutscher Übersetzung vorliegt („Der Fuchs von oben und der Fuchs von unten“) – eine außerordentliche verdienstvolle Edition – denn dieses letzte Werk von Arguedas ist ein experimenteller Roman, der höchste Ansprüche an die Leser und Leserinnen stellt. (siehe die Verlagsinformation auf dieser Webseite). „Das Werk zieht in der peruanischen Literatur gleichsam einen Schlussstrich unter die Beschäftigung mit dem Kulturkonflikt zwischen Kreolen und Indios, indem der Autor die Thematik in Form eines experimentellen Romans transzendiert.“ (KLfG)
2014 erschien erstmals ein zweisprachige Anthologie mit Erzählungen (Relatos / Erzählungen), in der auch die frühen Veröffentlichungen enthalten sind, von denen die Mehrzahl übersetzt nur verstreut in Zeitschriften und Anthologien zu finden waren.
José María Arguedas starb am 2. Dezember 1969 in Lima an der Schusswunde, die er sich fünf Tage vorher selbst beigebracht hatte.
(Quellen: D. Reichardt, KLfG, Akzente 4/93, Bücher zu Lateinamerika u.a.)