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Eugen Gomringer zum 93. Geburtstag

Eugen Gomringer zum 93. Geburtstag

avenidas

avenidas y flores
flores
flores y mujeres
avenidas
avenidas y mujeres
avenidas y flores y mujeres y
un admirador
 
Es müssen nicht, wie üblich, die runden Geburtstage sein, die ein größeres Publikum an einen außergewöhnlichen Menschen und seine Leistung erinnern. An dieser Stelle muß es auch nicht immer ein Autor oder eine Autorin aus Lateinamerika sein, der/die nur durch Übersetzungen im deutschsprachigen Raum bekannt sind.
Nein, das Lateinamerikaarchiv gratuliert heute dem am 20. Januar vor 93 Jahren in Bolivien geborenen, bedeutenden Vertreter und Mitbegründer der Konkreten Poesie.
Obwohl er nur einige Male nach Bolivien zurückgekehrt ist, gilt er in seiner Heimat als bolivianischer Poet, verehrt als der „geniale Benianer“ (nach der Region in der sein Geburtsort liegt) und mit einer Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.
2011 erhielt Gomringer von der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin den nach der Gründerin der Schule benannten Poetik-Preis. Der Preisträger sorgte mit seiner Arbeit für „einen Quantensprung in der Sprachkunst“, so die Begründung der Jury. Die damalige Hochschulleitung ließ sein Gedicht avenidas an der Fassade anbringen.
2016 hat der Asta der Hochschule das Gedicht „mal auf Deutsch“ übersetzt und dabei festgestellt, daß es „nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition reproduziert, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind.“ Der Asta verlangte schließlich die Entfernung des Gedichts. Es folgte eine mehrere Monate dauernde öffentlich geführte Auseinandersetzung, die schließlich am 22.1.2018 trotz massiver, auch internationaler Kritik (vorläufig?) endete: Der Senat der Hochschule knickt vor diesem „barbarischen Schwachsinn“ ein und hat beschlossen, das Gedicht im Herbst dieses Jahres entfernen zu lassen.
(Die öffentliche Empörung aufgrund dieser Entscheidung und ihrer fadenscheinigen Begründung kann in der heutigen Presse nachgelesen werden)
Man könnte ja jetzt mal ketzerisch fragen: wie hätten wohl die Reaktionen ausgesehen, wenn Gomringer „una admiradora“ geschrieben hätte? Die Antwort steht im offenen Brief des Asta: Ohne das Sternchen aus dem Gender-Deutsch hätte auch dieser Schluss keine Gnade gefunden vor einer bornierten und falsch verstandenen political correctness.
Klaus Küpper