Rey Rosa, Rodrigo: Die Gehörlosen

Roman. Aus dem guatemaltekischen Spanisch von Anna Gentz.
Wien: Septime, 2016. 284 S., geb., SU, 22,90 €.
O: Los Sordos. México 2012.
Umschlag: Jürgen Schütz.
978-3-902711-50-2
Andrés ist taub und wächst bei seiner Großmutter auf. Er kann sich mithilfe einer alten, in den Bergen noch gebräuchlichen Zeichensprache verständigen. Auf dem Weg zum Markt verunglückt der Bus, seine Schwester stirbt, die Großmutter wird verletzt, aber Andrés bleibt verschwunden.
Claudio Casares hat Angst um seine Tochter Clara. Mehrere Drohanrufe verunsichern den 85jährigen reichen Banker und er beschließt, für sie einen Leibwächter einzustellen. Chepe, der schon als Leibwächter bei ihm arbeitet, empfiehlt ihm seinen 20jährigen Neffen Cayetano Aguilar.
Javier Robles ist der Anwalt von Claudo Casares und nach längerer Abwesenheit wieder in Guatemala. Von Genf aus hatte er die Scheidung von seiner Frau Estela in die Wege geleitet. Jetzt trifft er sich mit seinen alten Jugendfreund Meme, einem Hotelier, um mit ihm über seine Krankenhauspläne zu reden. Ernesto Lara, ein hervorragenden Mediziner, mit dem er in seiner Jugend Europa durchstreift hatte, ist sein nächster Gesprächspartner. Bei einer Feier trifft Javier seine heimliche Geliebte Clara. Für Javier und Ernesto ist das Treffen die Gelegenheit, in der versammelten illustren Gesellschaft von Unternehmern mit mehr oder weniger zweifelhaften Einkommen, die geplante Gründung eines Krankenhauses anzusprechen. Javier aber hat noch einen anderen Plan: nach dem Ende der Party entführt er Clara.
Nach Claras Verschwinden arbeitet Cayetano jetzt als Leibwächter von Ignacio, ihrem Bruder. Er ist überzeugt, dass Javier hinter ihrem plötzlichen Verschwinden steckt – obwohl Clara aich ab und zu aus verschiedenen Orten telefonisch gemeldet und versichert hatte, es gehe ihr gut. Nach Monaten aber trifft plötzlich ein Erpresserschreiben mit einer Lösegeldforderung ein. Cayetano spürt die vermeintlichen Entführer auf und findet Clara. Sie kommt ihm verändert vor – wie unter Medikamenteneinfluss stehend. Auf der Rückfahrt von dem Treffen der beiden verunglückt er mit seinem Motorrad und wacht in einem Krankenhaus auf. Hier erkennt er schnell, dass er unter Drogen gesetzt wird und flieht. Die Daten und Bilder auf dem gestohlenen Laptop bestätigen ihm seinen Verdacht, dass in der Klinik medizinische Versuche an entführten Kindern gemacht werden.
Die sich in der Folge überschlagenden, teilweise absurden Ereignisse enden u. a. mit dem Wiederauffinden des verschwundenen Andrés, der in der geheimnisvollen Klinik durch die Transplantation einer vom Affen stammenden Innenohrschnecke von seiner Taubheit geheilt wurde ...
Wenn die Leserinnen und Leser sich mühsam bis zum Ende des Romans durchgearbeitet haben und sich von dem absurden Beiwerk, den unverbundenen unverständlichen Ablenkungen, den aus dem Nichts ständig neu auftretenden Protagonisten, wie z. B. einem evangelikalen Pastor und den Rest eine dubiosen paramilitärischen Organisation, geheimnisvollen Geschehnissen um ein Sanatorium und eine merkwürdige Mayagerichtsbarkeit endlich befreit haben, erhalten sie die simple Geschichte vom einem engagierten, aber naiven jungen Mann vom Land, der sich in seine Arbeitgeberin verknallt hat, überall Verschwörungen wittert, bei der Suche nach der verschwundenen Chefin aber selbst zum Mörder wird und am Schluss, zwar um einige Dollars reicher, völlig desillusioniert (weil er nur Gehörlose um sich hat?), wieder da landet, wo er hergekommen ist.
Ein leider misslungener Roman, dessen Autor einen Wust von Themen unterbringen wollte, sich aber in bloßen unausgegorenen Andeutungen verliert und dabei ein großes unverständliches Durcheinander hinterlässt, das offensichtlich auch die Übersetzerin überfordert hat. Daran hätte auch ein schmerzlich vermisstes Glossar nichts geändert. Schade.
Klaus Küpper, BzL
Anna Gentz, geboren 1980, studierte Romanistik und Pädagogik in Frankfurt am Main. Sie schrieb Artikel für die Neuauflage 2010 des Kindlers Literatur Lexikons, u. a. zu Julio Cortázar, Ernesto Sábato und José Eduardo Agualusa. Sie übertrug Erzählungen einen Roman der bisher im deutschen Sprachraum unbekannten chilenischen Autorin Nona Fernández.
Der Autor:
Rodrigo Rey Rosa wurde am 4.11.1958 in Guatemala-Stadt geboren.
Er ist Schriftsteller und Übersetzer und war Regisseur der Verfilmung seines Romans Lo que soñó Sebastián. Verschiedene Reisen in Mexiko, Mittelamerika, den USA und Europa; er war ab 1980 im Exil in Marokko.
Rey Rosa erhielt 2004 den Nationalpreis seines Landes für Literatur. Paul Bowles bescheinigt Rey Rosa "eine außergewöhnlich reiche Vorstellungskraft, die sich am liebsten schrecklichen Themen" zuwendet.
Auf Deutsch erschienen drei Romane („Die verlorene Rache", „Tanger" und „Der Henker des Friedens", siehe BzL 2002/03, S. 155; BzL 2003/04, S. 66) und ein Band mit Erzählungen („Der Sohn des Hexenmeisters", siehe BzL 1992, S. 148).
Rey Rosa lebt heute wieder in Guatemala.
(Foto: © Cherie Nutting)
Titel:
Die Gehörlosen
Stallungen

Er ist Schriftsteller und Übersetzer und war Regisseur der Verfilmung seines Romans Lo que soñó Sebastián. Verschiedene Reisen in Mexiko, Mittelamerika, den USA und Europa; er war ab 1980 im Exil in Marokko.
Rey Rosa erhielt 2004 den Nationalpreis seines Landes für Literatur. Paul Bowles bescheinigt Rey Rosa "eine außergewöhnlich reiche Vorstellungskraft, die sich am liebsten schrecklichen Themen" zuwendet.
Auf Deutsch erschienen drei Romane („Die verlorene Rache", „Tanger" und „Der Henker des Friedens", siehe BzL 2002/03, S. 155; BzL 2003/04, S. 66) und ein Band mit Erzählungen („Der Sohn des Hexenmeisters", siehe BzL 1992, S. 148).
Rey Rosa lebt heute wieder in Guatemala.
(Foto: © Cherie Nutting)
Titel:
Die Gehörlosen
Stallungen