Cristoff, María Sonia: Lasst mich da raus

Roman.
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen.
Berlin: Berenberg, 2015. 157 S., Hln., fadengeheftet, 20,00 €.
O: Inclúyanme afuera. Buenos Aires 2014.
978-3-937834-86-3
Mara ist für ein Experiment in die Kleinstadt nahe Buenos Aires gekommen. Gleichmütigkeitsprojekt nennt sie es. Sie hat sich vorgenommen, ein ganzes Jahr lang keine Fragen zu stellen und sich in der Kunst des Schweigens zu üben. Zu diesem Zweck hat sie sich als Aufseherin im örtlichen Heimatmuseum anstellen lassen, „ein düsteres Verließ ... mit einer absurden Ansammlung von Dingen, bei deren Anblick einem der Atem stockt“. Aber auch das Schweigen, so entnimmt sie ihrem Handbuch der Rhetorik, kann bedeutsam sein, drückt sich doch darin eine implizite Beredsamkeit aus. Ärgerlich aber ist, wenn sie im Rahmen ihrer Arbeit um irgendeine Auskunft gebeten wird und sie notgedrungen ihr Schweigen unter-brechen muss. Aber auch in anderen Situationen spürt sie plötzlich und unvermittelt eine unerklärliche Wut. Dann würde sie am liebsten in das Kettenfahrzeug steigen, das sie gerade entstaubt und losfahren. Und dabei alles niederwalzen, was auf dem Weg liegt, die Exponate, die Aushilfskräfte, die Stifter, den Ramsch – bis sie ihrgendwann in Sibirien zum Stehen käme.
Mara wird befördert – so nennt es jedenfalls die Direktorin. Sie soll an ein paar Tagen dem Tierpräparator zur Hand gehen, der nun endlich die beiden einbalsamierten berühmten Pferde des Museums restaurieren wird. Der Präparator ist überzeugt, dass sie diese glückliche Fügung, diesen „unvorstellbaren“ Karrieresprung von der Aufseherin zu seiner Assistentin, nur ihm und seiner Weisheit zu verdanken hat.
Mara war früher Simultandolmetscherin. Sie hatte im Laufe ihrer Arbeit schnell herausgefunden, wo die Kernaussage der hochtrabenden Statements von diversen Konferenzteilnehmern lag und irgendwann angefangen, nur noch sinngemäß zu übersetzen. Aus ihren Beobachtungen von Ausweichmanövern, Strategien und Manipulationen der Redner stellte sie ihr eigenes Handbuch der Rhetorik zusammen. Ihr Karriere war allerdings an dem Tag zuende, an dem sie statt der Übersetzung der Rede des großen Philantropen, ein Kapitel aus ihrem Handbuch vortrug.
Mara fühlte sich durch die neue Aufgabe bei ihrem Experiment gestört und beschließt, die Arbeit des eingebildeten Präparators zu boykottieren ...
Die Autorin hat die Geschichte mit vielen Zitaten aus ihrem Notizheft angereichert; Zitaten aus Gelesenem, das sie als Grundlage, Illustration und Kommentar für das erzählte Erleben der Protagonistin verwendet und gleichzeitig die Fiktion ergänzt und beeinflusst.
Dieser wunderbare kleine anarchistische Roman über Verweigerung und Widerstand ist ein köstliches Lesevergnügen. Bitte mehr von dieser Autorin!
Klaus Küpper, BzL
Peter Kultzen, geboren am 20.8.1962 in Hamburg, studierte Romanistik und Germanistik in München, Salamanca, Madrid und Berlin. Er lebt als freier Lektor und Übersetzer spanisch- und portugiesischsprachiger Literatur in Berlin. Er übersetzte u. a. Werke von Sonia Maria Cristoff, Martín Kohan, Claudia Piñeiro, Eduardo Halfon und Roberto Bolaño.
Die Autorin:
María Sonia Cristoff wurde 1965 in Trelew/Patagonien geboren.
Sie studierte Literatur und arbeitet als als Journalistin in Buenos Aires.
Reisen und die Auseinandersetzung mit ihrer Heimatregion Patagonien stehen dabei im Zentrum ihrer Tätigkeit. Bisher sind vier Arbeiten von ihr ins Deutsche übersetzt worden.
(Foto: © Gabriel Diaz)
Titel:
Mara wird befördert – so nennt es jedenfalls die Direktorin. Sie soll an ein paar Tagen dem Tierpräparator zur Hand gehen, der nun endlich die beiden einbalsamierten berühmten Pferde des Museums restaurieren wird. Der Präparator ist überzeugt, dass sie diese glückliche Fügung, diesen „unvorstellbaren“ Karrieresprung von der Aufseherin zu seiner Assistentin, nur ihm und seiner Weisheit zu verdanken hat.
Mara war früher Simultandolmetscherin. Sie hatte im Laufe ihrer Arbeit schnell herausgefunden, wo die Kernaussage der hochtrabenden Statements von diversen Konferenzteilnehmern lag und irgendwann angefangen, nur noch sinngemäß zu übersetzen. Aus ihren Beobachtungen von Ausweichmanövern, Strategien und Manipulationen der Redner stellte sie ihr eigenes Handbuch der Rhetorik zusammen. Ihr Karriere war allerdings an dem Tag zuende, an dem sie statt der Übersetzung der Rede des großen Philantropen, ein Kapitel aus ihrem Handbuch vortrug.
Mara fühlte sich durch die neue Aufgabe bei ihrem Experiment gestört und beschließt, die Arbeit des eingebildeten Präparators zu boykottieren ...
Die Autorin hat die Geschichte mit vielen Zitaten aus ihrem Notizheft angereichert; Zitaten aus Gelesenem, das sie als Grundlage, Illustration und Kommentar für das erzählte Erleben der Protagonistin verwendet und gleichzeitig die Fiktion ergänzt und beeinflusst.
Dieser wunderbare kleine anarchistische Roman über Verweigerung und Widerstand ist ein köstliches Lesevergnügen. Bitte mehr von dieser Autorin!
Klaus Küpper, BzL
Peter Kultzen, geboren am 20.8.1962 in Hamburg, studierte Romanistik und Germanistik in München, Salamanca, Madrid und Berlin. Er lebt als freier Lektor und Übersetzer spanisch- und portugiesischsprachiger Literatur in Berlin. Er übersetzte u. a. Werke von Sonia Maria Cristoff, Martín Kohan, Claudia Piñeiro, Eduardo Halfon und Roberto Bolaño.
Die Autorin:

Sie studierte Literatur und arbeitet als als Journalistin in Buenos Aires.
Reisen und die Auseinandersetzung mit ihrer Heimatregion Patagonien stehen dabei im Zentrum ihrer Tätigkeit. Bisher sind vier Arbeiten von ihr ins Deutsche übersetzt worden.
(Foto: © Gabriel Diaz)
Titel: