González, Tomás: Was das Meer ihnen vorschlug

Roman.
Aus dem Spanischen von Rainer und Peter Schultze-Kraft.
Hamburg: Mare Verlag, 2016. 156 S., geb., SU., 18,00 €.
O: Temporal. Bogotá 2013.
978-3-86648-231-9
„Mach, dass dieser hier nicht auch so ein Versager wird wie die anderen beiden, ja?“ Mit diesen Worten hatte der cholerische Hotelbesitzer der Bungalowanlage Playamar in dem kleinen Fischerort an der Karibik seinen Sohn im Meer getauft. Das Baby war von seiner Freundin Iris. Mit den „beiden anderen“ waren seine fast erwachsenen Zwillingssöhne Javier und Mario gemeint, die er mit seiner Frau Nora hatte. Für ihn waren die beiden nur Versager, die ihm nichts recht machen konnten. Und obwohl sie gute Fischer waren, war er der Auffassung, dass sie nichts vom Meer verstanden. Dabei führten die beiden erfolgreich das Restaurant des Hotels und hatten einen Lebensmittelladen gekauft, der guten Gewinn abwarf. Mario war der mehr praktisch Veranlagte, während Javier viel liest und eher wie ein ruhiger Pool wirkte. Im Laufe der Zeit begannen die Brüder ihren Vater zu hassen, vor allem nachdem er offen für den ganzen Ort mit einer anderen Frau ein Verhältnis angefangen hatte und ihre Mutter aus diesem Grund krank geworden war.
Es ist vier Uhr am Samstagmorgen, als der Vater und seine Söhne ihr Boot klarmachen und auf das Meer hinausfahren. Weil ein schwerer Sturm vorhergesagt war, ist keiner der anderen Fischer an diesem Tag zum Angeln unterwegs. Das Unwetter bringt das Boot in Seenot und die drei müssen schließlich ihren außergewöhnlich reichen Fang über Bord werfen – es geht um Leben und Tod.
Das ist die Gelegenheit und die Versuchung für die Zwillinge ist groß, den „Vorschlag des Meeres“ anzunehmen und den verhassten Vater loszuwerden ...
Die dramatischen Ereignisse in der karibischen See sind Teil der insgesamt 26 Stunden dieses Wochenendes, das vom Autor im Stundentakt erzählt wird. Ein spannender kleiner Roman, den man bis zum Ende nicht mehr aus der Hand legt.
Klaus Küpper, BzL
Peter Schultze-Kraft, geboren 1937 in Berlin, hat früher auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe für die UNO gearbeitet und setzt sich seit vielen Jahren als Übersetzer und Herausgeber für die lateinamerikanische Literatur im deutschsprachigen Raum ein. Er hat in seinen Anthologien und anderen Veröffentlichungen die meisten kolumbianischen Schriftsteller erstmals in deutscher Sprache vorgestellt, so u. a. auch Tomás González, dessen Werk er seit 2003 betreut. Peter Schultze-Kraft lebt heute im Schwarzwald.
Rainer Schultze-Kraft, geboren 1941, war Professor für tropische Landwirtschaft und ist wie sein Bruder Kolumbien ebenfalls eng verbunden.
Tomás González wurde 1950 in Medellín geboren. Er studierte Philosophie und übte danach verschiedene Beruf aus. 19 Jahre lang lebte als Journalist ind New York bevor er 2002 nach Kolumbien zurückkehrte. Er ist Autor von Prosa und Lyrik. In deutscher Übersetzung erschienen bisher sechs Romane („Horacios Geschichte“, „Die Teufelspferdchen“, „Am Anfang war das Meer“, „Die versandete Zeit“, „Das spröde Licht“ und „Was das Meer ihnen vorschlug“), zwei Bände mit Erzählungen („Carola Dicksons unendliche Reise“ und "Die stachelige Schönheit der Welt") sowie ein Band mit Gedichten („Mangroven“).
Tomás González lebt zurückgezogen am und (in einem Hausboot) auf dem Stausee von Guatapé, zwei Stunden von Medellín entfernt.
(Foto: © Markus Schultze-Kraft)
Titel:
Der Untergang des Pazifiks
Was das Meer ihnen vorschlug
Mangroven – Manglares
Die Teufelspferdchen
Das spröde Licht
Horacios Geschichte
Die versandete Zeit
Am Anfang war das Meer
Die stachelige Schönheit der Welt