Ronsino, Hernán: Letzter Zug nach Buenos Aires

Roman. Aus dem dem Spanischen von Luis Ruby.
Zürich: bilgerverlag, 2012. 100 S., geb., 19,00 €.
O: Glaxo. Buenos Aires 2009
978-3-03762-22-9
„Eines Tages bleiben die Züge aus", überlegt Vardemann, der Friseur des kleinen namenlosen Städtchens irgendwo in der Pampa südlich der Hauptstadt, als er den Bautrupp beobachtet, der anfängt die Gleise herauszureissen. Das war im Oktober 1973.
Sieben Jahre früher, im Juli 1966, erinnerte sich Miguelito Barrios an die Ankunft von Wachtmeister Ramón Folcada im Jahre 1958, der aus Buenos Aires hierher versetzt worden war. Das war nach dem Massaker von San Martín, über das der später ermordete Rodolf Walsh berichtet hatte und an dem Folcada wohl in irgendeiner Weise beteiligt war. Und Barrios erinnert sich auch an seine Liebesgeschichte mit Negra Miranda, der Frau von Folcada. Als der Verdacht schöpfte und ihn zwang, ihm den Nebenbuhler zu verraten.
„Seit gestern ist er wieder da. Er stieg aus dem Zug, den Schädel kahlgeschoren und die Haut speckig." Das war Vardemann. Folcada hatte dessen Vater die Pistole untergeschoben, mit der er einen der Mormonen umgebracht hatte.
Bicho Souza berichtet im Dezember 1984, dass Negra Miranda zurückgekommen ist, die damals vor den Ereignissen nach Buenos Aires geflohen war.
Nun ist dieser außergewöhnliche kleine Roman nicht so linear erzählt, wie die Beschreibung suggerieren mag. Der besondere Reiz dieser Geschichte liegt in den vier wortkargen Monologen von Vardemann, Souza, Barrios und Folcada aus 25 Jahren; sie sind die Teile eines Puzzles, das erst beim Einfügen des letzten Teils die ganze Wahrheit enthüllt. Dem Autor und dem Übersetzer ist es überdies gelungen, die triste Atmosphäre einer von der Fabrik und von Baustellen verdreckten argentinischen Kleinstadt im Niedergang einzufangen. Bitte mehr von diesem Autor!
Klaus Küpper, BzL
Luis Ruby, geboren 1970, lebt in München und übersetzt aus dem Spanischen, Italienischen, Portugiesischen und Englischen. Er wurde mit dem Übersetzerpreis der Spanischen Botschaft (2003), dem Bayerischen Kunstförderpreis (2008) und dem Münchner Literaturstipendium (2013) ausgezeichnet. Zu den von ihm übersetzten Autoren zählen neben Clarice Lispector u. a. Javier Marías, Carlo Fruttero und Jorge Amado.
Der Autor:
Hernán Ronsino wurde 1975 in Chivilcoy geboren, in einer kleinen Stadt in der argentinischen Pampa. Nach der Grundschule zog er nach Buenos Aires, um Soziologie zu studieren.
Heute unterrichtet Ronsino an der Universität von Buenos Aires und an der Faculdad Latinoamericana de Ciencias Sociales (FLASCO). In deutscher Übersetzung liegen bisher vier Titel. 2020 erhielt Ronsino den Anna-Seghers-Preis.
(Foto: © Pocha Silva)
Titel:
Der Autor:

Heute unterrichtet Ronsino an der Universität von Buenos Aires und an der Faculdad Latinoamericana de Ciencias Sociales (FLASCO). In deutscher Übersetzung liegen bisher vier Titel. 2020 erhielt Ronsino den Anna-Seghers-Preis.
(Foto: © Pocha Silva)
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