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[Exil] Wegner, Sonja: Zuflucht in einem fremden Land

Wegner ZufluchtWegner, Sonja: Zuflucht in einem fremden Land
Exil in Uruguay 1933-1945
Berlin: Assoziation A, 2013. 375 S., br., zahlr. Abb., 22.00 €
978-3-86241-407-9

Rund 10 000 Verfolgte aus Nazideutschland fanden Zuflucht in Uruguay, dem kleinsten Staat Südamerikas mit gerade einmal drei Millionen EinwohnerInnen. Als nach dem Novemberpogrom 1938 viele Juden und Jüdinnen versuchten, Deutschland zu verlassen, waren immer weniger Länder bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Auch deshalb, weil das NS-Regime die Ausreisewilligen mit perversen Mitteln wie etwa der „Reichsfluchtsteuer“ ausplünderte und es ihnen immer schwerer machte, Vermögenswerte und Hausrat ins Ausland zu transferieren. So wurden sie zu mittellosen Bittstellern.
Während traditionelle Einwanderungsländer in Lateinamerika wie Argentinien oder Chile ihre Grenzen Ende der 30er-Jahre weitgehend dichtmachten, nahm Uruguay weiterhin Flüchtlinge auf – auch wenn rechte Kreise und Medien dagegen massiv zu Felde zogen.
In Uruguay angekommen, waren die Verfolgten zwar in Sicherheit, doch standen sie vor dem Problem, sich in einem ihnen völlig fremden Land zurechtzufinden und ökonomisch zu überleben. Ihren in Deutschland ausgeübten Berufen konnten sie oft nicht mehr nachgehen, weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt wurden (z. B. bei MedizinerInnen), sie die Landessprache Spanisch nur unzureichend beherrschten oder weil es einfach keine entsprechenden Stellenangebote gab. So mussten sich viele zunächst mit Kleinhandel, Hilfsarbeiten oder als Hausangestellte durchschlagen, ehe es ihnen gelang, sich ökonomisch etwas zu etablieren. Ohne die Unterstützung jüdischer Hilfsorganisationen hätten viele die erste Zeit in Uruguay kaum überleben können.
Sonja Wegner erzählt in ihrem Buch viele dieser Geschichten. Das tut sie immer aus der Perspektive der geflüchteten Menschen, die sie entweder persönlich getroffen und interviewt oder deren Schicksale sie anhand schriftlicher Quellen rekonstruiert hat. Sie beschreibt den ungeheuren Kraftaufwand, die Ausreise aus Deutschland zu bewerkstelligen und in Uruguay einen Platz zu finden. Sie berichtet aber auch von den religiösen, politischen und kulturellen Aktivitäten deutsch-jüdischer Flüchtlinge in Uruguay, die sich vom Aufbau einer Synagogengemeinde über die Ausstrahlung einer täglichen deutschsprachigen Radiosendung, der Organisation einer semiprofessionellen Theatergruppe bis zu politischen Aktivitäten, wie die Arbeit des Deutschen Antifaschistischen Komitees, erstreckten. Und sie würdigt in den Worten vieler Flüchtlinge die Offenheit und Großzügigkeit der EinwohnerInnen und politischen Institutionen eines kleinen Landes, das in Europa meist nur als zweifacher Fußballweltmeister bekannt ist.
Gert Eisenbürger