[Exil] Becker, Sabina / Robert Krause (Hrsg.): Exil ohne Rückkehr

Literatur als Medium der Akkulturation nach 1933
München: ed. text + kritik, 2010. 338 S., br., 32,00 €.
978-3-86916-048-1
Im Zentrum der 14 Beiträge des Sammelbandes steht die Frage nach der Akkulturation deutschsprachiger AutorInnen des antifaschistischen Exils in ihren Aufnahmeländern. Wie sahen und erlebten sie ihre Exilländer und wie haben sie diese Erfahrungen in ihren literarischen Texten verarbeitet? Drei Aufsätze beschäftigen sich mit unterschiedlichen Aspekten des Schreibens von Anna Seghers im Exil und ihrer Sicht auf Mexiko, wo sie zwischen 1941 und 1947 Zuflucht gefunden hatte. Darin wird deutlich, dass zwischen ihrem politischen Engagement – das sich gegen die NS-Diktatur in Deutschland richtete – und ihrem Einlassen auf Mexiko ein kaum auflösbares Spannungsverhältnis bestand. So überrascht es nicht, dass sie ihre Erzählungen „Crisanta" und „Das wirkliche Blau", deren Handlung in Mexiko angesiedelt ist, erst nach ihrer Remigration in der DDR schrieb. Lediglich in der 1943 entstandenen Erzählung „Der Ausflug der toten Mädchen" befindet sich die Ich-Erzählerin zunächst in Mexiko, kehrt dann aber im Traum in Seghers' Heimatstadt Mainz zurück und beschreibt, was ihren SchulfreundInnen infolge des NS-Regimes und des Krieges dort widerfahren ist. Gerade angesichts der heutigen Debatte um Integration von MigrantInnen und der von ihnen erwarteten Anpassungsleistungen ist der Blick auf die schwierige Akkulturation der deutschsprachigen Exilierten in ihren damaligen Aufnahmeländern äußerst interessant und aufschlussreich.
Gert Eisenbürger, BzL