[Argentinien] Bayer, Osvaldo: Aufstand in Patagonien

Übersetzt aus dem argentinischen Spanisch von Boris Schöppner
Aschaffenburg: Trotzdem bei Alibri, 2010. 423 S., br., 28,00 €.
978-3-86569-910-7
Mehr als 35 Jahre nach seinem Erscheinen in Argentinien liegt Osvaldo Bayers Buch „La Patagonia Rebelde" endlich auf Deutsch vor. Der Autor zeichnet darin die großen Streiks im äußersten Süden Argentiniens und deren blutigen Niederschlagung um die Jahreswende 1921/22 nach. Im Oktoberr 1920 waren die – überwiegend chilenischen – Arbeiter auf den Landgütern der – mehrheitlich britischen – Großgrundbesitzer in einen Streik für bessere Löhne und Unterbringung und für die Freilassung inhaftierter Gewerkschafter getreten. Weil die Gutsherren das Abkommen zur Beendigung des Ausstands zwar unterschrieben, es dann aber nicht einhielten, rief die anarchistische Arbeiterföderation im September 1921 erneut zum Streik auf. Anders als im Jahr zuvor, setzten die Großgrundbesitzer und die sozialliberale Regierung der „Radikalen Bürgerunion" (UCR) in Buenos Aires diesmal auf Repression. Aus der Hauptstadt wurden Truppen unter Führung des Oberstleutnants Varela nach Patagonien entsandt, die den Streik mit äußerster Brutalität niederschlugen. Die meisten der etwa 1500 getöteten Arbeiter wurden erschossen, als sie sich bereits im Gewahrsam der Truppen befanden, wobei die Großgrundbesitzer die Kollegen selektierten, die umgebracht werden sollten – weil sie aktive Gewerkschafter waren oder weil ihnen die Gutsherren noch Lohn schuldeten. Ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Buenos Aires wurde der verantwortliche Militär, Oberstleutnant Varela, von dem deutschen Anarchisten Kurt Georg Wilckens getötet. Dem Leben von Wilckens, den Hintergründen seiner Tat und seiner Ermordung im Gefängnis durch einen argentinischen Rechtsextremisten, widmet Bayer ein ausführliches Kapitel.
„Aufstand in Patagonien" ist längst ein Klassiker der Literatur über soziale Kämpfe, an dem sich viele spätere AutorInnen orientiert haben. In Argentinien wurde es 1974, wenige Monaten nach dem Erscheinen der beiden ersten Teile, verboten und konnte erst 1985 nach dem Ende der Militärdiktatur komplett veröffentlicht werden – weil die Armee noch nach Jahrzehnten das Massaker leugnete. Bei aller historischen Genauigkeit und detaillierten Darstellung ist es ein engagiertes, über weiter Strecken zorniges Buch – und vor allem ein großes literarisches Werk!
Gert Eisenbürger, BzL