Dombois, Rainer: Lateinamerika – Eine Fiktion

Notizen von Reisen zwischen Mexiko und Feuerland.
Aachen: Shaker Media, 2013. 288 S., kt., 19,90 €.
978-3-86858-922-1
Zwischen 2007 und 2011 unternahm der Bremer Soziologieprofessor Rainer Dombois drei längere Reisen durch Südamerika. Die erste Reise führte ihn von März bis Juni 2007 nach Chile, Uruguay, Argentinien, Bolivien, Peru, Ecuador und schließlich nach Kolumbien.
Bei der zweiten Reise besuchte Dombois zwischen März und Juni 2010 Guatemala und Mexiko. Die dritte Reise von März bis Mai 2011 ging dann erneut nach Kolumbien.
Dombois' Buch geht weit über die übliche Reisebücher hinaus, weil der Autor nicht nur beschreibt, was er sieht und erlebt, sondern dazu auch die politisch-soziologischen Hintergründe liefert. Es gelingt ihm, anschaulich zu machen, wie sich die großen Themen Migration, Gewalt, Geschlechterverhältnisse, Religiosität, soziale Inklusion oder Ausschluss im täglichen Leben der Leute darstellen und gegenseitig bestimmen. Gleichzeitig erzählt er von den Facetten lateinamerikanischer Wirklichkeit, der Herzlichkeit vieler Leute, ihren Humor, ihre Lebenslust, die vielfältige Küche.
Aber was heißt Lateinamerika? Schon im Titel des Buches und dann in den einzelnen Berichten macht Dombois immer wieder deutlich, wie verschieden und differenziert das Leben in den einzelnen Ländern, aber auch den sozialen Schichten und Milieus ist. Auch wenn verbindende Elemente wie Sprache oder Musik existieren, gibt es enorme Unterschiede im Hinblick auf die materiellen Lebensbedingungen, die Religiosität (die im laizistischen Uruguay kaum ein Rolle spielt, im formell ebenso laizistischen Mexiko jedoch omnipräsent ist), die Bedeutung der Familie, die Bildungschancen, den Lebensstil. All das lässt den Autor fragen, ob „Lateinamerika" nicht nur eine Fiktion sei.
Rainer Dombois' Buch ist vor allem jenen zu empfehlen, die vorhaben, nach Guatemala, Mexiko oder Kolumbien zu reisen, sei es als TouristInnen oder für einen Praktikums-, Studien-, oder Arbeitsaufenthalt. Sie werden Informationen finden, die sie in Reiseführern vergeblich suchen. Aber auch alle, die sich „nur" für diese Länder interessieren, werden viel Spannendes entdecken können.
Gert Eisenbürger