Escobar de Nogales, Melba: Das Glück ist ein Fisch

Eine Erzählung aus Kolumbien. Illustrationen von Elizabeth Builes.
Aus dem Spanischen von Jochen Weber.
Basel: Baobab, 2018. 111 S., geb., farbig illustriert, 14 × 20 cm, 15,90 €.
O: Johnny y el mar. Medellín 2014.
978-3-905804-83-6
Ab 9 Jahren
Der zehnjährige Pedro aus Bogotá ist der Kleinste in seiner Klasse. Das mag daran liegen, dass er nur wächst, wenn er glücklich ist. Da ist es gerade gut, dass Pedro zu seinem Geburtstag eine Überraschungsreise in die Karibik geschenkt bekommt; dorthin, wo es Piraten gibt und das Meer sieben Farben hat. Doch am Urlaubsort angekommen, muss er erfahren, dass sich seine Eltern getrennt haben und dies der Grund dafür ist, dass sein Vater nicht mitgekommen ist. Weil Pedro seine Wut und Trauer darüber nicht aushält, rennt er davon, den Strand entlang und immer weiter, bis er nicht mehr weiß, wo er ist. Er befürchtet schon, vor Kummer und Angst so sehr zu schrumpfen, dass ihn ein Tier verschlingen wird, doch dann schläft er – beruhigt von sanftem Rauschen des Meeres – vor Erschöpfung ein. Als er wieder aufwacht, ist es dunkel. Auf der Suche nach einem Unterschlupf für die Nacht begegnet Pedro dem alten Johnny Tay, der mit seinem hässlichen 300 Jahre alten Papagei Victoria in einer Hütte am Strand wohnt und Pedro zunächst furchteinflößend erscheint, obwohl er ganz hervorragend kochen kann. Da ihn die Sandmücken und die unheimlichen nächtlichen Geräusche rings um die Hütte nicht schlafen lassen, beginnt Pedro eine Unterhaltung mit Victoria, die ihm von Johnnys Vorfahren erzählt, die Piraten waren - wahre Geschichten von guten und schlechten Seeräubern, wilden Kämpfen und von der Suche nach Piratenschätzen und Schatztruhen voller Goldmünzen.
Die Erzählung Das Glück ist ein Fisch schenkt dem Leser in neun Kapiteln mit phantasievollen Anekdoten viel Lebensweisheit: Die Geschichte des nur 1,30m große Piratenkapitäns Drake mit seinem Herzen aus Gold erinnert z. B. daran, dass nicht Körpergröße, sondern Mut, Charakterstärke und Großherzigkeit die wahre Größe eines Menschen ausmachen. Dass sich die Welt nicht einfach nur in gut und schlecht unterteilen lässt, sondern – so wie die Farben des Meeres – aus vielen Facetten besteht, lernt Pedro von Johnny und Victoria, die ihm bewusst machen, „dass Menschen nicht nur gut, aber auch nicht nur schlecht sind.“ Pedro realisiert, dass dies auf die Piraten sowie auch auf seinen Vater zutrifft: „ sogar unter den schlechten gibt es gute und unter den guten schlechte. [...] Wir versuchen alle, im Leben unser Bestes zu geben,“ so Johnny.
Die wichtigste Lehre des Buchs ist vielleicht, dass die unmittelbare Gegenwart der Ort ist, an dem der wahre Schatz des Lebens, das Glück, zu finden ist. Im aktuellen Augenblick zu sein; im Hier und Jetzt zu existieren und Kummer der Vergangenheit sowie Sorgen der Zukunft loszulassen, kann manchmal schon alles sein, was man zum Glücklichsein braucht. Pedro stellt fest, dass es das größte Glückserlebnis von allen sein kann, einen Fisch zu fangen und dabei an nichts anderes zu denken. Und selbst Pedros Mutter lernt während seiner Abwesenheit, dass ihr Sohn kein kleines Kind mehr ist und dass sie ihm in Zukunft mehr Freiheit lassen muss. Mutter und Sohn finden nach diesem heilsamen Abenteuer schließlich wohlbehalten wieder zusammen und der streunende Hund Whisky, den Pedro bei Johnny kennengelernt hat, darf sogar mit nach Bogotá – bis zum nächsten Jahr und Wiedersehen mit Johnny.
Ein wirklich schönes Buch, ausgestattet mit dezenten Bildern in den Farben der Karibik. Der blaue Buchdeckel gibt einem das Gefühl, in Wasser einzutauchen – in siebenfarbiges Meerwasser. Mit einem Nachwort der Autorin, in dem sie von ihrer eigenen Begegnung mit John Tay erzählt.
Johanna Klute, Bücher zu Lateinamerika
Elizabeth Builes (*1987) wurde in Medellín, Kolumbien, geboren. Nach einem Studium der Bildenden Kunst an der Universidad Nacional de Colombia arbeitete sie als wissenschaftliche Zeichnerin im Herbarium der Universidad de Antioquia. Heute widmet sie sich ganz der Buchillustration und lebt in Medellín.

Escobar de Nogales, Melba (*1976) kam in Cali, Kolumbien, zur Welt. Nach einem Literaturstudium an der Universidad de los Andesin Bogotá veröffentlichte sie 2007 ihr erstes Buch. „Das Glück ist ein Fisch“ ist ihr erstes und bislang einziges Kinderbuch. Melba Escobar ist auch Journalistin, hat bisher mehrere Romane Sachbücher verfasst. Ihr 2019 ins Deutsche übersetzter Roman „Die Kosmetikerin“ erhielt den kolumbianischen Premio Nacional de Novela.. Sie lebt und arbeitet in Bogotá und hat zwei Kinder.
Die Mutter