Schweblin, Samanta: Das Gift

Roman. Aus dem Spanischen von Marianne Gareis
Berlin: Suhrkamp, 2015. 126 S., geb., SU, 16,95 €.
978-3-518-42503-9
O: Distancia de rescate. Barcelona 2014.
Carlas kleiner Sohn David hat sich offensichtlich beim Trinken aus dem Teich vergiftet. Der Zuchthengst seines Vaters ist jedenfalls daran verendet. In ihrer Verzweiflung sucht die Mutter Hilfe bei einer Heilerin, die Rettung durch eine sogenannte „Transmigration“ verspricht. Dabei soll der Geist Davids in einen anderen, unbekannten Körper übergehen und mit dem fremden Geist ausgetauscht werden. David übersteht die Vergiftung, sein Verhalten aber verändert sich so stark, dass er sich seiner Mutter total entfremdet und sie nie mehr Mama nennt.
Amanda, die Nachbarin von Carla und Mutter der kleinen Nina, hält die Therapie für Blödsinn. Doch ist sie von dem ganzen Geschehen und den Erzählungen Carlas so verunsichert, dass sie permanent auf ihre Tochter achtet, auf den „Rettungsabstand“, auf den Distancia de rescate, so der Originaltitel, den ihr schon ihre Großmutter und Mutter eingetrichtert haben. Und obwohl am Verhalten ihrer Tochter nichts Auffälliges zu beobachten ist, befürchtet sie doch insgeheim eine Verwicklung in die merkwürdige „Transmigration“.
Diese Ängste scheinen nur zwischen den Zeilen durch, sie gehören mit zum Unheimlichen dieses Romans. Konkreter sind da schon die Andeutungen und Beobachtungen über die Fässer, die von einem LKW abgeladen werden, die Gruppe von offensichtlich kranken und behinderten Kindern und die weiter ansteigende Anzahl der Entengräber, die David auf dem Grundstück anlegt. Als Amanda schließlich an dem geheimnisvollen Gift erkrankt, erreicht der Roman seinen düsteren Höhepunkt ...
Auf knapp 130 Seiten entfaltet die Autorin ein verstörendes Szenario, das die Leserinnen und Leser bis zum offenen Schluss dieses meisterhaften Romans nicht mehr loslässt.
Klaus Küpper, BzL
Marianne Gareis, geb. 1957 in Süddeutschland, studierte Lateinamerikanistik, Anglistik und Ethnologie an der Freien Universität Berlin und lebte anschließend mehrere Jahre in Portugal. Seit 1989 arbeitet sie als Übersetzerin, zunächst vor allem spanischer und portugiesischer, seit einigen Jahren verstärkt brasilianischer Literatur. Zu ihren Übersetzungen gehören Werke von José Saramago, Gonçalo Tavares, Machado de Assis, Andréa del Fuego, Paulo Scott und Sergio Álvarez. 2014 erhielt sie für ihre Übersetzung des brasilianischen Klassikers "Dom Casmurro" von Machado de Assis den renommierten Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW. Marianne Gareis lebt in Berlin.
Die Autorin:

Samanta Schweblin lebt inzwischen in Berlin.